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Verkehrswende in Hösbach?

in den letzten Wochen war das Schlagwort Klima und Verkehrswende in vielen Wahlkampfveranstaltungen zu hören. Auch in Hösbach gab es Hochwasserdiskussionen und ein Radverkehrskonzept wurde verabschiedet.

Es gibt Stimmen in Hösbach, die aus Gründen des Hochwasserschutzes alle Verkehrsplanungen begraben möchten. Gleichzeitig werden in Hösbach munter neue Baugebiete entwickelt. Über passende Mobilitätskonzepte dazu verschwendet man lieber keine Gedanken. Selbstverständlich gehen Marktgemeinderat und Verwaltung davon aus, dass der daraus entstehende Kfz-Verkehr wie gehabt auf der Schöllkrippener und Hauptstraße gebündelt wird. Eigentlich wurde gerade für den bayerischen Untermain ein regionales Mobilitäts- und Siedlungskonzept beschlossen, das den Entwicklungsrahmen hinsichtlich Flächenverbrauch und Mobilität für die nächsten Jahre abstecken sollte. Den Marktgemeinderäten scheint das unbekannt zu sein, zumindest fand es während der Diskussionen keine Erwähnung. Manche Hösbacher machen sich dazu mehr Gedanken, wie z.B. in diesem Leserbrief im Main-Echo.

Das Fahrradkonzept wurde in der Augustsitzung erfolgreich abgehakt und verschwindet fürs erste mal wieder in der Schublade. Vorschläge und Bedenken der VIH, bereits vor der Konzepterstellung geäußert wurden wieder einmal ignoriert. Wie befürchtet – wohl wieder ein weiteres Konzept für die Rathausschublade. Auf der Webseite des Markt Hösbach verläuft die Suche nach Informationen dazu erfolglos, ebenso auf den Seiten des Markt Goldbach. Außer einem Presseartikel wird der Hösbacher Normalbürger nicht damit behelligt und ist ahnungslos, was im Detail geplant wurde.

Ähnliches steht am 28.9. in der Sondersitzung des Marktgemeinderats bevor. Da werden die die Planungen des staatlichen Bauamts und der Autobahn GmbH öffentlich vorgestellt. Fraglich, ob dabei das Geheimnis gelüftet wird, wie der weiterhin ansteigende A3 Verkehr leicht und sicher durch Hösbach geleitet werden soll. An normalen Werktagen fahren aktuell zwischen 11 und 12 Tausend Fahrzeuge durch Hösbach, trotz aktueller Umleitung für den 2. Bauabschnitt. Der regionale Planungsverband rechnet bis zum Jahr 2035 mit 8000 zusätzlichen Fahrzeugen täglich auf der A3, die sich dann im Umleitungfall oder bei Überlastung durch Hösbach schlängeln werden. Bis dahin dürfte dann der 3.Bauabschnitt der Hauptstraße für einen leicht und sicher fließenden (Auto)-Verkehr ausgebaut sein, genau so wie es in der StVO steht. Zumindest in den Spitzenstunden dürfte dann allerdings die Fließgeschwindigkeit des Autoverkehrs auf der Hauptstraße gegen Null gehen.

Regionale und überregionale Ansätze

Seit letztem Monat gibt es ein Bürgerbegehren für ein 365€ Ticket. Dadurch wird hoffentlich die Diskussion über Verbesserungen im regionalen öffentlichen Nahverkehr angestoßen. Vielfach wird dabei als erstes die Kostenfrage gestellt. Fraglich ist jedoch, ob das in Hösbach angedachte On-Demand-Konzept billiger und vor allen Dingen verkehrswirksamer wird.

Die wesentliche Vorrausssetzung für Verbesserungen im Mobilitätssektor würde ein Bundesmobilitätsgesetz bringen, wie es der VCD fordert. Wie gut die Chancen nach dem 26.9. stehen, läßt sich hier herausfinden.

Gutachten B469

Nach der Kundgebung letzte Woche veröffentlicht nun das Aktionsbündnis B469 das Gutachten zu dem geplanten Ausbau der B469. Für alle Interessierte an einer umweltverträglichen Mobilität in unserer Region gibt gute Gründe sich dieses Gutachten genau anzuschauen. Dem staatlichen Bauamt werden methodische Mängel und Ungenauigkeiten bescheinigt. Die Datenerhebung sei ebenfalls nicht nach üblichen Standards erstellt.

Die entscheidende Frage ist, ob sich die angrenzenden Kommunen und das staatliche Bauamt von den fachlichen und sachlichen Argumenten des Gutachtens überzeugen lassen.

Der nächste Fahrrad-Klimatest fällt besser aus!

Das war die Hoffnung von Tino Fleckenstein, verkehrspolitscher Sprecher des ADFC, der in einer Präsentation die Hösbacher Ergebnisse im Vergleich mit anderen Kommunen aus der Region einordnete. Mit Fotos verdeutlichte er die Situationen in Hösbach, die vermutlich zu der Bewertung auf dem vorletzten Platz der Rangliste in Bayern führte.

Die Teilehmer*innen aus dem Kreistag, Radverkehrsbeauftrage aus Goldbach und Hösbach, Mitglieder von ADFC und VIH, sowie weitere Radverkehrsinteressierte diskutierten im Anschluss die Ergebnisse. Kritisiert wurde erneut, die geringe Zahl von Teilnehmer*innen an dem Fahrrad-Klimatest und die möglicherweise geringe Aussagekraft der Ergebnisse.

Schwerpunkt der Diskussionen waren allerdings die Maßnahmen, wie das Fahrrad-Klima in Hösbach verbessert werden könnte. Seit dem Sommer letzten Jahres liegt der Entwurf eines interkommunalen Fahrradkonzepts Goldbach-Hösbach vor, von dem bisher allerdings noch nichts beschlossen oder umgesetzt wurde. Einzelne Vorschläge, wie der vorgesehene Fahrrad-Angebotsstreifen auf der Hauptstraße vom östlichen Ortseingang bis zum Friedhof wurden diskutiert.

Wenig Hoffnung machten sich die Teilnehmer*innen auf eine baldige Realisierung des Aschafftal-Radschnellwegs. Es existieren noch zu viele Unklarheiten bezüglich Trägerschaft und Finanzierung einer solchen Maßnahme.

Die VIH wies erneut darauf hin, dass das Fahrradkonzept lediglich ein Teil des Hösbacher Verkehrskonzepts sein kann und der tatsächliche Verlagerungsanteil vom Auto zum Fahrrad entscheidend ist. Die Fortschreibung des ISEK-Verkehrskonzepts ist aus Sicht der VIH weiterhin dringend erforderlich.

Klima & Wald statt Asphalt

Das ist das Motto des Aktionsbündnisses B469 dem sich auch die Verkehrs-Inititiative Hösbach angeschlossen hat. Der Bund Naturschutz hat dazu eine Pressemitteilung veröffentlicht.

Die Planung des staatlichen Bauamts wird hinsichtlich der Dimensionierung in Frage gestellt und soll umweltverträglicher und mit weniger Waldrodung gestaltet werden. Dazu soll ein Gutachten erstellt werden, das die Aspekte einer zukunftsfähigeren Mobilität berücksichtigt. Dazu sind noch Spenden willkommen.

Die VIH unterstützt das Bündnis, da in der gesamten Region am Bayerischen Untermain andere Mobilitätslösungen gefunden werden müssen, um beschlossene Klimaschutzpläne umzusetzen. Nicht nur bundesweit, sondern auch in unserer Region sinken die CO2-Emmissionen des Verkehrssektors viel zu wenig. Das Trendszenario des regionalen Mobilitäts – und Siedlungskonzepts prognostiziert bis 2035 weiter steigende Verkehrszahlen. Stark verkehrsbelastete Kommunen, wie z.B. Hösbach, nehmen dies kommentarlos hin.

Anstatt übergreifender Mobilitätskonzepte gibt es eine Vielzahl von Einzeluntersuchungen, die um die knappen Flächen konkurrieren. Einschränkungen, Verlagerungen oder auch nur Kontrollen des Autoverkehrs finden nicht statt.

Einige Anregungen zu Ursache und möglichen Lösungen enthalten die folgenden Interviews aus der Reihe Interviews 4 Future der Scientists 4 Future Leipzig.

Gespräch mit Timo Daum, Autor des Buchs: Das Auto im im digitalen Kapitalismus
Gespräch mit Dr. Helmut Becker (ehemaliger Chefvolkswirt von BMW)
Gespräch mit dem Verkehrsforscher Prof. Dr. Andreas Knie über die Geschichte, Gegenwart und Zukunft des privaten Verkehrs

Wer lieber liest, hier eine Leseempfehlung eines neu erschienen Buchs zum Thema nachhaltige Stadtentwicklung mit dem Titel: Wie wird weniger genug ? Das Buch richtet sich in erster Linie an kommuale Entscheidungsträger.

Verkehrszahlen 2020

Das Verkehrsaufkommen in der Hauptstraße war im vergangenenJahr während der Corona-Einschränkungen deutlich niedriger als üblich. Etwas niedriger lagen auch die Feinstaubwerte. Im Jahresverlauf gab lediglich 10 Überschreitungen des Tagesmittelwerts von 50 µg/m³. Das sind 3 weniger als im Jahr zuvor. Die aktuellen Daten finden sich in der Rubrik Fakten Verkehr- und Schadstoffbelastung.

Während der Zeiten ohne Einschränkungen lag die durchnittliche tägliche Verkehrsbelastung allerdings trotz der Baustellenumleitung deutlich über der Zielsetzung des ISEK von ca.10000 Fahrzeugen pro Tag. Seitens des Verwaltung oder des Gemeinderats gibt es immer noch keinen Plan zur Fortschreibung des ISEK Verkehrskonzepts.

Am westlichen Ortseingang ist durch die eingeklagte Tempo 30 Anordnung das Geschwindikeitsniveau etwas gesunken. Die V85 -Geschwindigkeit, also die Geschwindigkeit, die 85% der Fahrer einhalten (15% halten sich ohnehin nicht an die Verkehrsregeln und fahren schneller), liegt seit Aufstellung der Schilder etwas niedriger.

Wöchentlicher Verlauf der Geschwindigkeit V85 im Jahr 2020

Vom Ringen um Tempo 30 am westlichen Ortseingang

Seit 2007 besteht die Forderung nach Tempo 30 am westlichen Ortseingang

Eine der ersten Vorschläge der Verkehrsinitiative Hösbach lautete: Tempo 30 im gesamten Ortsgebiet. Im Jahr 2007 gab es eine Plakatserie, in der diese Forderung thematisiert wurde. Argumente dafür gab und gibt es schon immer genug. Wegen überschrittener Schadstoffgrenzwerte wurde die Geschwindigkeitsbegrenzung für einen Teilbereich der Hauptstraße angeordnet, eine Klage dagegen scheiterte. Für die Ortseingänge, wo ohnehin die Fahrgeschwindigkeiten am höchsten sind, galt nach wie vor Tempo 50. Zahlreiche Briefe an Gemeinde und Behörden, langwierige Diskussionen und Argumentationen in Workshops und Lenkungsausschuss, eine neue, in nationales Recht umgesetzten EU-Umgebunglärm-Richtlinie und eine Lärmkartierung mit dunkelroten Bereichen, ein Lärm-Immissionsgutachten mit einer berechneten nächtlichen Lärmbelastung von mehr als 63db(A), nichts konnte die verantwortlichen Behörden beeindrucken.

Nach der Ablehnung eines letzten Antrags an die untere Straßenverkehrsbehörde war der Rechtsweg die letzte Hoffnung, um eine Verbesserung der Lärm- und Verkehrssituation am westlichen Ortseingang zu erreichen. Schlussendlich waren 2 Verwaltungsgerichtsklagen (BayerVerwG Urteil 6.11.18 und BayerVerwG Protokoll 14.7.20) notwendig, um das zu erreichen. Unterstützung gab es lediglich seitens des VCD und der Verkehrs-Initiative Hösbach. Der Markt Hösbach hatte offiziell keine Meinung dazu. Der Bürgermeister gab bei dem Ortstermin des Verwaltungsgerichts Würzburg am 14.7.2020 in Hösbach zu Protokoll: Es gibt in Hösbach keinen politischen Beschluss, Tempo 30 in diesem Bereich einzuführen.

Nach dem verwaltungsgerichtlichen Vergleich sollte Tempo 30 lediglich nachts von 22-6 Uhr bis spätestens 31.12.2020 angeordnet werden. Nach einem Gespräch mit MdB Lindholz und Nachfrage bei Landrat Dr. Legler setzte sich der gesunde Menschenverstand durch und Tempo 30 soll nun doch ganztägig gelten.

Diese Woche wurden die Tempo 30 Schilder in aller Heimlichkeit montiert. Einen Hinweis im amtlichen Teil der Hösbacher Nachrichten suchen die autofahrenden Hauptstraßennutzer vergebens.

Von der autogerechten zur menschengerechten Stadt…

ist es noch ein langer Weg. Diese Erfahrung macht auch in Hösbach jeder, der versucht an der Verkehrssituation etwas zu ändern. Ein gute Zusammenfassung der Problematik, die Lösungsansätze und den notwendigen Strukturwandel der Autoindustrie, sowie die notwendigen Verhaltensänderungen für jeden Einzelnen war gestern in der ARD zu sehen:

Fernsehsendung W wie Wissen 10.10.2020

Ob die in dem Fernsehbeitrag prognostizierte Reduzierung des Autoverkehrs um 50% bis zum Jahr 2035 in Hösbach Wirklichkeit wird, darf mit einiger Skepsis betrachtet werden. 8 Jahre nach Verabschiedung des Verkehrskonzepts gibt es trotz massiver Einschränkungen durch Baumaßnahmen und Umleitungen noch kein einziges Prozent weniger Autos. Wer noch eher diffuse Vorstellungen von einem Radschnellweg hat, bekommt dieses in dem Fernsehbeitrag auch erklärt.